Adaptivität und Adaptierbarkeit

Der zentrale Punkt für eine intelligente Dynamik von Anwendungen im Allgemeinen und von Hypermedia-Anwendungen im Speziellen ist der Benutzer. Unter der Berücksichtigung von persönlichen Faktoren wie ...

sowie unter Einbeziehung von individuellen Faktoren wie ...

... versucht die intelligente Hypermedia-Anwendung den Verlauf der Präsentation so zu gestalten, dass die Inhalte und die Reihenfolge der ausgewählten Informationsknoten den Wünschen und Bedürfnissen des Benutzers entsprechen. Das Ziel besteht darin, solche Inhalte, ...

... erst gar nicht auszuwählen und zu präsentieren. Dies kann auf der einen Seite zu einer Verkleinerung des Angebots der Inhalte des Informationsraumes führen, da eine verschieden große Anzahl von Informationsknoten aus dem Angebot herausfällt. Auf der anderen Seite kann diese Art der Selektion jedoch auch dazu führen, dass der Benutzer Inhalte angeboten bekommt, die er bei einer manuellen Auswahl nicht berücksichtigt hätte, obwohl sie für ihn nützlich wären, wie an anderer Stelle, insbesondere im Umfeld des automatisierten digitalen Storytellings gezeigt wird [HOF10].

Diese Anpassung an den Benutzer und dessen Anforderungen kann auf zwei Wegen geschehen. Zum einen kann der Benutzer selbst aktiv Einfluss auf die Anpassung nehmen oder aber die Anwendung passt sich von selbst, automatisch an den Benutzer an. Diese Verhaltensweisen werden durch die Begriffe Adaptierbarkeit und Adaptivität beschrieben:

Die Begriffe Adaptivität und Adaptierbarkeit beschreiben die Anpassung von Parametern einer Anwendung an veränderte Bedingungen beziehungsweise an Einstellungen durch den Benutzer:

Die oben gegebene Definition lehnt sich an die Definition von Petko und Reusser [PET06] an, versucht sie aber aus ihrem ursprünglichen E-Learning-Kontext zu lösen und zu verallgemeinern und berücksichtigt dabei auch weitere Beschreibungen und Definitionen wie zum Beispiel jene von Jameson und Smyth, die die Theorie des sogenannten adaptiven Web verfolgen [JAM07].

Abb. 37
Anpassung des Informationsraums an den Benutzer

Die oben aufgeführte Definition macht deutlich, dass Adaptivität im Unterschied zur Adaptierbarkeit kontinuierlich und automatisch ist. Während Adaptierbarkeit bedeutet, dass Einstellungen vom Benutzer selbst vorgenommen werden müssen und dieser in der Regel einmal individuell entscheidet, wann dies geschieht, bedeutet Adaptivität, dass die Anpassung einer Anwendung durch die Anwendung selbst erfolgt. Dies geschieht zu jedem Zeitpunkt und berücksichtigt dabei alle erfassten bzw. erfassbaren und berücksichtigten und berücksichtigbaren Parameter. Adaptivität ermöglicht somit eine automatische Selbstjustage und in gewissem Sinne auch eine Selbstkorrektur der Anwendung.

Beide Anpassungsweisen sind Reaktionen auf die Heterogenität der Benutzer. Die Anpassung an den Benutzer ist ein Weg, um den Erfolg einer Anwendung und ihren Nutzungsgrad zu erhöhen, da die Zahl der möglichen Benutzer erhöht werden kann, indem die Zahl der möglichen Zielgruppen erhöht wird. Zudem können auf diese Weise Aufwände in der Entwicklung einer Anwendung reduziert werden, wenn nicht für verschiedene Ziel- oder Benutzergruppen unterschiedliche Anwendungen entwickelt werden müssen, sondern nur eine. Nicht zuletzt kann der Erfolg auch davon initiiert sein, dass der einzelne Benutzer sich individueller durch die Anwendung angesprochen fühlt, da diese ja eben auf ihn persönlich eingeht und auf ihn reagiert.

Der Kernpunkt beider Anpassungsweisen besteht in einer Personalisierung der Anwendung. Dies ist, wie oben schon angedeutet, allerdings auch oftmals einer der Kritikpunkte an Anwendungen mit dieser Art von Verhalten. Adaptierbare Systeme haben hier den Vorteil, dass es für den Benutzer transparent bleibt, auf welchen Parametern das weitere Verhalten der Anwendung basiert und er selbst entscheiden kann, ob und wie genau er diese Angaben macht. Adaptive Systeme hingegen sind in der Regel weniger transparent in Bezug auf die Benutzerdaten. Hier kann oftmals nicht unmittelbar erkannt werden, welche Verhaltensweisen oder Eingaben als Parameter in das Benutzerprofil einfließen.

Mit welcher der Methoden eine genauere Anpassung an den Benutzer erreicht werden kann, ist sicherlich nicht so einfach zu beantworten und unterscheidet sich auch von Anwendungsziel zu Anwendungsziel. Maßgebend ist dabei sowohl die Zahl der berücksichtigten Parameter als auch die Genauigkeit ihrer jeweiligen Angabe ebenso wie die Genauigkeit ihrer jeweiligen Interpretation.

Aus der Benutzerperspektive erscheint die Adaptierbarkeit die vermeintlich unbequemere Anpassungsmöglichkeit zu sein, denn letztlich ist die Eingabe in der Regel ein Try-and-Error-Prozess, der in vielen Fällen zudem recht kompliziert und zeitaufwändig sein kann:

Wenn auch vor dem eigentlichen Beginn der Arbeit mit der adaptierbaren Anwendung eine Reihe von Einstellungen und Eingaben durch den Benutzer vorgenommen werden müssen, so hat auch diese vermeintlich unkomfortable Art ein besonders Plus. Ist die Anwendung erst einmal an den Benutzer angepasst und wird die Art der Nutzung der Benutzerparameter durch die Anwendung transparent dargestellt, so kann der Benutzer stets mit einem Verhalten der Anwendung rechnen, dass vorhersagbar ist. Er wird also durch die Reaktion der Anwendung nicht überrascht. Somit ist an dieser Stelle nicht mit einer erhöhten mentalen Belastung zu rechnen.

Dies wiederum ist einer der möglichen Nachteile adaptiver Systeme. Durch die ständige Aktualisierung des Benutzerprofils kann sich auch ständig das Verhalten der adaptiven Anwendung ändern. Zwar passt sich die Anwendung stets an die aktuellen Benutzerbedürfnisse an, jedoch ist durch diese stetige Anpassung eine Vorhersage, wie die Anwendung auf die nächste Benutzereingabe reagieren wird, schwer zu treffen. Will der Benutzer das Verhalten der adaptiven Anwendung hinterfragen, so muss er dazu einen Teil seiner individuellen mentalen Verarbeitungskapazität nutzen. Dies wiederum hat zur Folge, dass die mentale Belastung des Benutzers steigt.

Während also auf der einen Seite eine mentale Überforderung durch die geschickte, individuell abgestimmte Auswahl und Reaktion der Anwendung vermieden und die mentale Belastung verringert werden soll, kann also auf der anderen Seite genau das Verhalten, das dieses Ziel unterstützen soll, die gegenteilige Wirkung erzielen. Es ist bei dem Entwurf solcher Anwendungen also unabdingbar, dass hier eine Analyse von Aufwand und Wirkung durchgeführt wird.

Die notwendige Personalisierung für die Anpassung des Anwendungsverhaltens benötigt ein Modell des Benutzers, das die Parameter für die Entscheidungen der Anwendung enthält. Essenziell sind dazu solche Informationen über den Benutzer für die Anwendung, die sein Wissen, seine Ziele und seine Interessen beschreiben. Darüber hinaus können weitere personenbezogene Angaben wie die seines Alters, seiner Zielgruppe und auch anwendungsbezogene Angaben wie die bevorzugte Eingabemöglichkeit oder das bevorzugte Ausgabemedium für die Anwendung relevant sein. Die Angaben müssen dazu in einer formalisierten Weise vorliegen, so dass die Anwendung die Angaben entsprechend interpretieren kann. Anders ausgedrückt kann also gesagt werden, dass die Modellierung des Benutzers dessen mentalen Zustand erfasst. [DBE04]

Die benötigten Parameter stammen sowohl bei adaptierbaren als auch bei adaptiven Systemen aus verschiedenen Quellen, die allgemein in zwei Arten unterteilt werden können:

Oftmals werden beide Arten zugleich in der Anwendungsentwicklung eingesetzt. Der Benutzer gibt zum Beginn seiner Arbeit mit der Anwendung Antworten auf einige wenige Fragen, die die grundlegenden persönlichen Informationen beschreiben, wie zum Beispiel sein Alter und die Zielgruppe. Während der folgenden Arbeit wertet die Anwendung dann weitere Parameter aus. Somit wird zunächst eine grobe und im Nachhinein eine feinere Anpassung an den Benutzer erreicht. Der Vorteil dieses kombinierten Vorgehens besteht darin, dass die Anpassungsgeschwindigkeit der Anwendung an den Benutzer wesentlich erhöht wird gegenüber der nur auf impliziten Quellen basierenden Anpassung.

Abb. 38
Modellhafte Adaptionsgeschwindigkeiten (schematisch)

Adaptive Anwendungen kommen in der heutigen Zeit häufiger vor als oftmals vermutet wird, denn mittlerweile sind viele Anwendungen im Web so ausgelegt, dass sie sich an die Benutzerbedürfnisse anpassen. Allerdings wird diese Anpassung selten in den Fokus des Benutzers gerückt, so dass dieser davon häufig keine Ahnung hat. Das Ergebnis kann eine eventuelle Verbesserung von Suchergebnissen sein, eine bessere Darstellung des Inhaltes durch angepasste Erscheinungsbilder oder schlicht durch personalisierte Werbung. Gerade der letztgenannte Aspekt der Werbung in Kombination mit dem Begriff "Verbesserung" zeigt noch einmal deutlich die Notwendigkeit der Diskussion an diesem Punkt. Allgemein jedoch gilt, dass viele Webseiten das Benutzerverhalten bei dessen Besuch mit den oft diskutierten Cookies registrieren, insbesondere dann, wenn der Besucher sich auf der Webseite durch (s)eine persönliche Anmeldung zu erkennen gibt und damit (implizit) einverstanden erklärt. Das Ergebnis ist die implizite, kontinuierliche und automatische Aktualisierung des Benutzerprofils während des Browsens, ohne dass der Benutzer dies merkt oder in einer besonderen Form aktiv werden muss.

Eine der großen Herausforderungen bei der Entwicklung solcher Anwendungen ist die Komplexität der Intelligenz, die benötigt wird, um das Anpassungsverhalten zu optimieren. Daher werden oftmals hybride Systeme eingesetzt, die, ähnlich wie oben schon beschrieben, adaptierbare und adaptive Anteile kombinieren. Während oben jedoch eine strikte Trennung mit einem zu Beginn adaptierbaren Anteil und einem im späteren Verlauf nur noch adaptiven Teil beschrieben wurde, wird eine solche Trennung von hybriden Systemen vermieden, in dem zum Beispiel