Wenngleich das im vorigen Abschnitt näher betrachtete Dexter-Modell durch seinen schon herausgestellten hohen Abstraktionsgrad nicht nur für Hypertext geeignet ist, sondern sich auch auf jeden hypermedialen Typ anwenden lässt, mangelt es diesem Modell an einem besonderen Aspekt, der insbesondere für eine Kombination von Hypermedia mit Multimedia zwingend ist. Gemeint ist damit das zeitliche Medienverhalten und die Abhängigkeit von der Benutzerinteraktion. [BOL98]
In dem nun hier vorgestellten Modell wird Hypermedia nun als eine Kombination aus Multimedia und Hypertext angesehen. Die Knoten, aus denen auch in diesem Modell der Informationsraum aufgespannt wird, sind multimedial und zudem mittels Links untereinander verbunden. Es handelt sich also um eine Netzwerkstruktur, die zeitliche Aspekte einbindet. Dadurch kombinieren sich die Navigation durch Interaktion mit dem medieninhärenten zeitlichen Antrieb aus den Multimedien.
Um diese Kombination von zeitlichen und interaktiven Charakteristika zu kombinieren und modellhaft zu beschreiben, entwickelten Lynda Hardman, Dick Bulterman und Guido van Rossum 1994 das Amsterdam Hypermedia Model (AHM). Dieses erweitert das Dexter Model um zeitliche und kontextuelle Anteile und beschreibt so erstmals explizit Hypermedia anstelle von Hypertext.
Zwar kann heutzutage durchaus gesagt werden, dass der Ansatz der "Timeline", die das AHM einführt, in vielen Aspekten hinter den Möglichkeiten aktueller Multimediasysteme zurückbleibt. Dennoch ist dieses Modell so stark, dass es an dieser Stelle näher vorgestellt werden muss.
Das Modell baut auf dem Dexter-Modell auf und erweitert dieses um zwei Mechanismen zur Behandlung des zeitlichen Verhaltens:
Dieses Vorgehen allein löst die Probleme, die sich aus der Kombination von zeitlicher Eigendynamik und Beeinflussung durch benutzergetriebene Interaktion ergeben, noch nicht. Um dies zu erreichen, berücksichtigt das AHM verschiedene weitere, strukturelle Ansätze:
Hypertext, Multimedia und Hypermedia im AHM (1)
Die Berücksichtigung der Synchronisation in der Modellbetrachtung erfordert die wesentlichste Erweiterung des Dexter-Modells:
Implizit wird bei dieser Konzeption und Implementierung von Hypermediasystemen davon ausgegangen, dass die Aktivierung eines Links zwei Dinge auslöst:
Hypertext, Multimedia und Hypermedia im AHM (2)
Weil für den Benutzer vor allem der zweite Punkt wichtig ist und der erste Punkt nicht wirklich relevant, wird ebendieser auch von den Entwicklern von Hypermediasystemen häufig vernachlässigt. Allerdings stellt die gleichzeitige Sichtbarkeit mehrerer Komponenten für ein Hypermediasystem eine zwingende Notwendigkeit dar. Auf dieses Problemfeld wird im späteren Abschnitt "Gestalt und Gestaltung" noch näher eingegangen werden.
Das Amsterdam Hypermedia Model berücksichtigt dieses Problemfeld ebenfalls und führt zu dessen Lösung einen sogenannten Linkkontext ein. Dieser beschreibt, wie sich die Präsentation verhalten soll, wenn der Benutzer einen Link aktiviert. Dazu beschreibt die Komponente, von der der aktivierte Link ausgeht, wie sich die Inhalte des Zielknoten bei ihrer Präsentation darstellen sollen. Solche beschreibenden Informationen können zum Beispiel sein, ...
... und so weiter. Die zentrale Neuerung, die das AHM einführte, bestand also in der Möglichkeit, die Präsentation weitaus dynamischer gestalten zu können als mit den Vorläufermodellen.
Diesen Ansatz rundet das AHM durch die Erweiterung der Präsentationsspezifikationen des Dexter Hypertext Referenz Modells um zusätzliche globale Attribute ab. Auch das Dexter-Modell ermöglichte es schon, jeder Komponente eigene Präsentationsattribute mitzugeben. Ohne Berücksichtigung blieben dabei jedoch globale Attribute wie die individuelle Anpassung der Systemlautstärke oder der Standardschriftart. Da der Benutzer solche Einstellungen in der Regel nicht für jede Komponente einzeln vornehmen möchte, muss das System ihn gerade an dieser Stelle unterstützen. Dazu definiert das AHM abstrakte Ausgabegeräte als Channels, die jede auszugebende Komponente durchlaufen muss. Ein solches Ausgabegerät kann zum Beispiel ein "Textchannel" sein, der durch Attribute wie Textart, Textauszeichnung, Textfarbe und so weiter beschrieben wird. Durchläuft ein Text diesen Textchannel, so werden dem Text automatisch alle festgelegten Attribute des Channels bei der Präsentation zugewiesen.