Ist das Medium Video selbst schon ein dynamisches, so überträgt sich diese Charakteristik auch auf die Erweiterungen, wenn es zu einem Hypervideo transformiert werden soll. Dies beginnt schon mit den beiden basalen Fragen
Diese Fragestellungen müssen, um den Erfordernissen von Autoren und Produzenten in Bezug auf die Ästhetik und die Bild- und Filmsprache sowie auch den Erfordernissen und Ansprüchen des Benutzers zu entsprechen, erweitert werden und zielführend lauten:
Hinzu kommt darüber hinaus noch die Frage, wie sich der Hotspot zwischen diesen beiden Zeitpunkten verhält. Dies führt zur Betrachtung der gesamten Lebensdauer eines Hotspots, wie sie weiter oben schon vorgedacht wurde.
Der Hintergrund all dieser Fragen ist der Benutzer, der sich das (Hyper-) Video anschaut und damit interagieren möchte. Anders als bei "normalen" Filmen, bei denen der Zuschauer als passives Publikum in der Lean-Back-Situation die Inhalte rezipiert und sich in der Regel auf diese Weise also unterhalten lässt, befindet der Zuschauer sich bei einem Hypervideo als aktiver Benutzer eher in einer Lean-Forward-Situation. Er ist bereit, aktiv an und mit dem Video zu arbeiten.
Es handelt sich dabei um zwei grundsätzlich unterschiedliche Benutzungssituationen. Zurückgelehnt, zum Beispiel auf der Couch im heimischen Wohnzimmer oder auch im Kino, wird der Benutzer eher entspannt sein und seinen Aufmerksamkeitsfokus vor allem auf den Videoinhalt, also im Falle von Hypervideo, auf das Führungsmedium, gerichtet haben. Der Benutzer ist also in dieser Situation vor allem passiver Zuschauer. Auch wenn er über die hypermedialen, interaktiven Optionen des Hypervideos Bescheid weiß, so wird doch die Interpassivität des "Film-Anschauens" gegenüber der Interaktivität des "Hotspot-Aktivierens" überwiegen. In dieser Situation ist eine gut geplante Strategie als Antwort auf die oben gestellten Fragen für den Produzenten zwingend notwendig, um die Benutzerakzeptanz zu gewinnen. Einer Aussage des Benutzers wie
"Dauernd überrascht und erschreckt
mich das Auftauchen eines Hotspots!"
können zwei Aussagen entnommen werden. Zunächst einmal kann davon ausgegangen werden, dass das Erscheinen der Hotspots nicht optimal gestaltet wurde. Zudem kann weiterhin davon ausgegangen werden, dass der Benutzer bei jedem Erscheinen eines Hotspots vom zentralen Videoinhalt abgelenkt wird. Welche Auswirkung das auf seine Akzeptanz gegenüber dem Hypervideo hat, ist dabei zunächst einmal nicht von Belang.
Doch nicht nur das Erscheinen von Hotspots kann problematisch sein. Vielmehr kann auch dessen Ende und somit das "Verschwinden" aus dem Sichtfeld zu Problemen führen. Hier steht eine potentielle Aussage wie
"Immer, wenn ich einen Hotspot anklicken will,
ist er gerade eben verschwunden!"
im Mittelpunkt. Ihr kann entnommen werden, dass es für den Benutzer nicht ersichtlich ist, wann ein Hotspot nicht mehr erreichbar ist, weil er ausgeblendet wird oder sich aus dem Sichtfeld bewegt.
Verschiedene Strategien, das Erscheinen und Verschwinden von Hotspots zu gestalten beziehungsweise zu erklären, können hier hilfreich sein, vor allen Dingen dann, wenn der Zuschauer oder Benutzer über die Funktionalität und die Gestaltung vor der Benutzung oder zu ihrem Anfang informiert wird. Vier hauptsächliche Strategien können dazu verfolgt werden.
Strategie 1: Alles ist aktivierbar | |
Dies ist die rigoroseste Strategie, bei der der Benutzer nur einmal darauf hingewiesen werden muss, dass er jedes sichtbare Objekt anklicken oder auf sonstige Weise aktivieren kann. Für den Benutzer ist dies leicht verständlich und vermittelbar. Allerdings kann dieser scheinbare Vorteil schnell zu einem Nachteil für Autor und Produzent werden:
Für Autor und Produzent bedeutet dies, dass tatsächlich für jedes einzelne Objekt eine Aktion definiert werden muss. Möglicherweise müssen dafür für jedes aktivierbare Objekt weitere Informationen gesammelt und somit weitere Medien produziert werden. Dies wiederum bedeutet dann einen immensen Aufwand in Gestaltung und Produktion.
Wird unter diesem Aspekt eine Sequenz in einem Video betrachtet, wird dies sehr schnell deutlich, wie es der Screenshot in obiger Abbildung zeigt. Wenn jedes Objekt aktivierbar ist, kann der Benutzer jeden einzelnen Spieler anklicken, ebenso die Schiedsrichter, allerdings auch jeden Zuschauer, jedes Mikrofon, und so weiter. Vorteilhaft an dieser Strategie ist andererseits, dass es keiner visueller Hervorhebung aktivierbarer Regionen bedarf, da ja ohnehin jedes Objekt eine solche Region darstellt. |
Strategie 2: Bestimmte Objekte sind aktivierbar | |
Dies ist eine eingeschränkte Version der oben beschriebenen "Jedes-Objekt-ist-aktivierbar"-Strategie. Hier kann mit relativ einfachen Mitteln sowohl eine höhere Benutzersicherheit und -akzeptanz erreicht als auch der Produktionsaufwand verringert werden. Dazu kann beispielsweise gesagt werden:
Die letzte Aussage hat neben der Reduzierung der Erwartung und der Produktion die benutzerfreundliche Nebenwirkung, dass der Benutzer schon vor der Aktivierung eines Hotspots über das Ergebnis Bescheid weiß und somit nicht mit unerwarteten Informationen überrascht oder gar abgelenkt wird. Allerdings bleibt stets eine gewisse Unsicherheit des Benutzers, der womöglich manchmal nicht erkennt oder erkennen kann, ob ein Objekt aktivierbar ist oder nicht. Dies kann dazu führen, dass der Benutzer aktivierbare Objekte nicht nutzt oder er versucht, nicht aktivierbare Objekte zu aktivieren. Dies wiederum kann wie in Strategie 1 negative Auswirkungen auf die Benutzerakzeptanz haben. Ebenso kann es hier zu leicht Verständnisproblemen kommen. Bedeutet die Ansage "Jeder Spieler im Video kann aktiviert werden." aus Abbildung 68 zum Beispiel, dass ...
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Strategie 3: Gekennzeichnete Objekte sind aktivierbar | |
Die vorangegangenen Strategien haben den Vorteil, dass kein Eingriff in die visuelle Information notwendig ist. Damit wird der Benutzer nicht vom Inhalt des Videos abgelenkt und auch durch das Auftauchen eines Hotspots nicht mehr überrascht, als er es ohnehin durch das Auftauchen des Objektes selbst wird. Strategie 3 geht dagegen einen anderen Weg.
Sie nutzt eine visuelle Hervorhebung für aktivierbare Objekte. So können diese zum Beispiel von einem Rahmen umgeben oder durch Licht- und andere Effekte hervorgehoben werden. Das plötzliche Auftauchen eines solchen Effektes kann allerdings tatsächlich dazu führen, dass der Benutzer durch ein plötzliches Auftreten überrascht oder gar verschreckt werden. Diesen Auswirkungen kann entgegengewirkt werden, indem die Effekte langsam eingeblendet werden. Ein weiches Erscheinen eines Rahmes sowie auch ein weiches Ausblenden kann die Überraschung des Benutzers mildern. Der Vorteil dieser Strategie liegt darin, dass unterschiedliche Objekte zu unterschiedlichen Zeiten zur Aktivierung angeboten werden können. So kann auch diese Strategie zu einer möglichen Reduzierung des Produktionsaufwandes beitragen. Über die Auswirkungen dieser Strategie auf die Bild- und Filmsprache und die Ästhetik soll in Abschnitt Gestaltung noch näher eingegangen werden. |
Strategie 4: Bestimmte Regionen sind aktivierbar | |
Einen gänzlich anderen Weg als die objektbezogenen Strategien 1 bis 3 verfolgt Strategie 4. Hier werden Regionen eingeführt, die wie Schaltelemente oder Buttons bedient werden. Diese können, wenngleich sie es nicht müssen, auch außerhalb des Videobildes angeordnet sein, womit sie die Darstellung des Videos selbst nicht stören. Sie haben stets dieselbe Position und Größe im Bild. Im Idealfall sind diese Schaltelemente immer sichtbar und machen nur im Einzelfall durch eine Farb- oder Transparenzänderung ihre Aktivierbarkeit deutlich. Da dies außerhalb des Videos geschehen kann, kann so auch die kognitive Belastung für den Benutzer leicht auf ein Minimum reduziert werden. In einem ungünstigen Fall kann dies allerdings auch dazu führen, dass die Änderung vom Benutzer nicht erkannt wird. Problematisch bei dieser Strategie ist der Bezug zwischen Schaltelement und Objekt. Er ist nur dann darstellbar, wenn in das Videobild eingegriffen wird, zum Beispiel durch eine Verbindungslinie zwischen Objekt und Schaltelement. Damit allerdings wird der Überraschungseffekt beim Auftreten und Verschwinden wiederum größer. Aus diesem Grund eignet sich Strategie 4 auch eher für die Vermittlung von übergeordneten oder sogenannten metabezogenen Informationen als für objektbezogenen. Darauf wird ebenfalls in Abschnitt 0 noch einmal näher eingegangen. |
Ob und wie ein Objekt im visuellen Teil eines Videos erscheint, ist meist nicht wirklich vorhersagbar. Oftmals kommen Objekte durch einen Kameraschwenk oder durch ihre Eigenbewegung in das Sichtfeld und überraschen dadurch den Zuschauer eher wenig. Auch das Verschwinden eines Objektes aus dem Sichtfeld ist in der Regel eher wenig überraschend, da es auch hier oft ein Schnitt, ein Kameraschwenk oder die Eigenbewegung des Objektes ist, die dazu führt, dass es nicht mehr sichtbar ist. Für den erfahrenen Benutzer, also eigentlich für jede Person, die Filme und Videos anschaut, stellt dies in der Regel kein besonderes Problem dar. Lediglich die hervorgehobene Aktivierbarkeit ist es, die zu einem Problem werden kann. Wie diese Hervorhebung abgeschwächt werden kann, wurde in der Erklärung zu Strategie 3 angedeutet, wird aber auch im Abschnitt "Zeitfragen und Lebenszeit" noch einmal vertieft betrachtet.
Strategie 1: Alles ist aktivierbar |
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Erläuterung: | jedes sichtbare Objekt im Video kann zu jeder Zeit aktiviert werden | |
Vorteile: | kurze, eindeutige Erklärung eindeutige Benutzungsweise |
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Nachteile: | hoher Produktionsaufwand | |
Probleme: | Erwartungshaltung und Akzeptanz durch den Benutzer |
Strategie 2: Bestimmte Objekte sind aktivierbar |
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Erläuterung: | nur bestimmte Objekte im Video können aktiviert werden | |
Vorteile: | kurze, eindeutige Erklärung Reduzierung des Produktionsaufwandes |
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Nachteile: | Unsicherheit des Benutzers mehrdeutige Erklärungen möglicherweise hoher Produktionsaufwand |
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Probleme: | Erwartungshaltung und Akzeptanz durch den Benutzer |
Strategie 3: Gekennzeichnete Objekte sind aktivierbar |
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Erläuterung: | aktivierbare Objekte werden hervorgehoben | |
Vorteile: | kurze, eindeutige Erklärung Reduzierung des Produktionsaufwandes eindeutige Benutzungsweise |
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Nachteile: | Eingriff in Bild- und Filmsprache | |
Probleme: | Ablenkung des Benutzers |
Strategie 4: Bestimmte Regionen sind aktivierbar |
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Erläuterung: | Festgelegte Regionen im oder am Video dienen als Schaltelemente | |
Vorteile: | Geringer Eingriff in Bild- und Filmsprache | |
Nachteile: | Schwierige Darstellung des Bezugs zwischen Schaltelement und Objekt | |
Probleme: | Ablenkung des Benutzers |